„Heute gibt es mehr Einzelkämpfer“

Veröffentlicht am 29.01.2019 in Kommunales

Servus Stadtrat: Vier Jahrzehnte im Stadtrat, 25 Jahre Oppauer Ortvorsteher – mit Udo Scheuermann zieht sich einer der erfahrensten Ludwigshafener Kommunalpolitiker aus dem Tagesgeschäft zurück. Der 73-Jährige hat sich bei Katastrophen als Krisenmanager bewährt und ist eines der SPD-Aushängeschilder. Ganz aufhören mit der Politik will er nicht.

Udo Scheuermann ist als Ortsvorsteher eine Institution in Ludwigshafen. Was nur wenige wissen: Er hat dafür gesorgt, dass Frank Elstner und Dieter Thomas Heck ihre Samstagsabendshows aus der Eberthalle in die Wohnzimmer der TV-Nation übertragen konnten. Scheuermann war als Fernmeldetechniker für die Tonübertragung aus der Halle zuständig. „Das hat mir viel Spaß gemacht“, erinnert sich 73-Jährige an alte Zeiten.Durch seinen Job hatte er viel Kontakt zu den Promis, die in Shows wie „Wetten dass?“ oder „Die Goldene Stimmgabel“ mitwirkten. In den 1980er-Jahren wurden die Sendungen mit großem Aufwand produziert. Mittendrin: Scheuermann, der mal eben Peter Maffay zum Kabelschleppen verpflichtete oder mit Karel Gott und Joachim Fuchsberger plauschte. Scheuermann musste immer wieder Autogramme für Bekannte besorgen. Als der Oppauer 2008 mit 63 Jahren in Ruhestand ging, hatte er mehr Zeit für die Kommunalpolitik.

In die SPD eingetreten ist Scheuermann 1969 mit 24. Damals stand mit Willy Brandt erstmals nach dem Krieg ein Genosse an der Spitze der Bundesregierung. Es herrschte Aufbruchstimmung. „Es gab eine starke Eintrittswelle. Das hat mich mitgezogen“, erinnert er sich. Dass der gebürtige Ludwigshafener selbst einmal eine SPD-Aushängeschild werden würde, ahnte er damals nicht.

Scheuermann besuchte die Hauptschule und machte danach eine Lehre als Fernmeldetechniker. Er bildete sich weiter und wurde Beamter bei der Bundespost. Heute würde er für seinen Beruf einen anderen Schulabschluss brauchen. Den meisten Menschen ist Scheuermann als Oppauer bekannt, aber das war er nicht immer: Er ist in der Gartenstadt aufgewachsen und lebte dort, bis er seine Frau kennenlernte. „Ich wurde durch Heirat zum Oppauer“, sagt er.

Die Jungverheirateten wohnten zunächst bei den Eltern der Frau in Oppau. Doch als das erste Kind geboren wurde, war eine größere Wohnung nötig. In der Pfingstweide wurde das Paar fündig: 1971 zogen die Scheuermanns in den neuen aus dem Boden gestampften Stadtteil. Das zweite Kind folgte. Scheuermann begann in der Pfingstweide, sich politisch zu engagieren. „Es war viel Pionierarbeit zu leisten“, blickt er zurück. „Es ging auch darum, Identität für die Bewohner der Pfingstweide zu schaffen.“ Scheuermann schaute damals auch über den Rhein nach Mannheim, wo mit der Vogelstang ein ähnlicher Stadtteil aus der Retorte entstand. Dort war ein gewisser Gerhard Widder (SPD) Ortsvorsteher, der es noch bis zum Oberbürgermeister der Nachbarstadt bringen sollte. „Widder und ich haben uns oft ausgetauscht“, erzählt Scheuermann, der 1974 zum stellvertretenden Ortsvorsteher und 1976 zum SPD-Ortsvereinsvorsitzenden der Pfingstweide gewählt wurde.

1979 zogen die Scheuermanns schließlich nach Oppau ins Eigenheim um. Ins ebenfalls neu gebaute Ludwigshafener Rathaus zog der Stadtrat im gleichen Jahr ein. Dort nahm auch Scheuermann als Mitglied der SPD-Fraktion Platz. 40 Jahre gehört er dem Parlament an. Er erlebte noch die absolute Mehrheit der SPD und die Ära des legendären OB Werner Ludwig. Er sah mit an, wie die SPD an Boden verlor und das OB-Amt für 16 Jahre an die CDU und Eva Lohse abgeben musste. „Das hat wehgetan.“

Im Laufe der Jahrzehnte ist Scheuermann zu einem der tonangebenden Köpfe in der Fraktion geworden. Er ist kein Scharfmacher. Als Mitglied von sieben Ausschüssen und diverser Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen prägt der Oppauer die Stadtentwicklung mit. Bis heute ist er baupolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Was sich in all den Jahren geändert hat?„Früher war es harmonischer, heute gibt es mehr Einzelkämpfer“, sagt der Veteran, der neben Manfred Schwarz (CDU) zu den am längsten amtierenden Stadträten gehört. Dass es seit 15 Jahren eine große Koalition im Stadtrat gibt, sieht Scheuermann zwiespältig: „Das verwässert die Politik für die Leute und stärkt die Ränder.“ Der Stadtrat mit momentan sieben Fraktionen werde nach der Wahl im Mai wohl weiter zersplittert. „Das macht es nicht einfacher, eine stabile Mehrheit zu finden“, sagt Scheuermann. Dass mit Jutta Steinruck die SPD wieder das OB-Amt übernommen hat, freut ihn sehr: „Sie macht das sehr gut“. Nah bei den Menschen zu sein – das würde auch der SPD bundesweit helfen, meint er.

In Oppau ist Scheuermann 1994 in die vorderste Reihe getreten: Der Ortsbeirat wählte den damals 49-Jährigen zum Ortsvorsteher. Das Amt hat er bis heute inne, es prägt ihn. Mehr als 23.000 Menschen leben in der Pfingstweide, Oppau und Edigheim. Auf dem Land wäre er bei so einer Einwohnerzahl hauptberuflicher Bürgermeister. Als Ortsvorsteher ist er ehrenamtlich aktiv. Seit er 2008 in Rente ging, kann er sich auf diese Aufgabe allein konzentrieren. Scheuermann hatte seitdem in seinem Stadtteil außergewöhnliche Lagen als Krisenmanager zu bewältigen: nach der Explosion einer Gasleitung 2014 in Edigheim sowie nach dem Unglück im BASF-Hafen 2016.

Im Stadtnorden schätzen die Bürger ihren Ortsvorsteher. Seit der Einführung der Direktwahl hatte kein Gegenkandidat eine Chance gegen Scheuermann. „Ich bin viermal im ersten Wahlgang gewählt worden“, sagt er stolz. Nun ist er der dienstälteste der zehn Ortsvorsteher und froh, mit Frank Meier (56, SPD) einen Nachfolgekandidaten gefunden zu haben. Ganz von der Politik verabschiedet sich Scheuermann aber nicht: Er bleibt als SPD-Fraktionschef in der Verbandsversammlung der Metropolregion Rhein-Neckar aktiv.

(Rheinpfalz vom 29.01.2019)

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