„Es musste sich alles erst einpendeln“

Veröffentlicht am 18.10.2014 in AntiFa/Migration

Interview: Seit fünf Jahren ist Hayat Erten (SPD) Vorsitzende des Beirats für Migration und Integration. Ob es auch nach den Neuwahlen im November dabei bleibt, steht jetzt noch nicht fest. Wir haben mit der 44-Jährigen über die Aufgaben des Beirats gesprochen – und darüber, was er bisher erreicht hat.

Frau Erten, 2009 ist der Beirat für Migration und Integration (BMI) erstmals gewählt worden. Da lag die Wahlbeteiligung bei nur 11,6 Prozent. Wie erklären Sie sich das?
Ich denke das hängt damit zusammen, dass 2009 ein Superwahljahr war. Da waren die Europawahl und Kommunalwahlen. Relativ kurz danach wurde in Ludwigshafen der BMI gewählt. Wir hatten einfach nicht genug Zeit, um die nötige Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit zu leisten, damit es eine hohe Wahlbeteiligung gibt. Außerdem war es die erste Wahl des Beirats nach der Reform. Viele Menschen wussten nicht, dass sie wählen dürfen, wie das funktioniert und welche Rolle der Beirat spielt.

Es heißt immer mal wieder, dass Migranten gar kein Interesse an Politik hätten. Könnte es auch damit zusammenhängen?
Das kann man nicht pauschalisieren. Es gibt Studien, die belegen, dass die meisten Einwanderer in Deutschland gut integriert sind. Sie müssten sich also eigentlich genauso für Politik interessieren wie Einheimische. Wenn das nicht der Fall ist, liegt das womöglich eher am Wahlrecht: Menschen ohne deutschen Pass sind von den regulären Wahlen ausgeschlossen, also ohnehin ein Stück weit von der politischen Teilhabe abgeschnitten.

Soll der BMI nicht gerade in der Hinsicht für Abhilfe sorgen?
Das stimmt. Der BMI hat ein Antragsrecht im Stadtrat. Das heißt, dass wir Themen, die Migranten an uns herantragen, oder auf die wir selbst aufmerksam werden, auf die Tagesordnung bringen können. Eine unserer Aufgaben ist es, als Bindeglied zwischen den Migranten und örtlichen Politikern zu dienen. Selbst wenn wir einen Antrag im Rat nicht durchbringen können, hat das immer noch den Vorteil, dass die Belange der Zuwanderer wenigstens diskutiert werden. So können wir Interessen und Probleme von Migranten ins Bewusstsein der Kommunalpolitiker bringen und Antworten auf dringende Fragen erwirken. Das hat in den letzten Jahren ganz gut funktioniert.

Wann denn zum Beispiel? Nennen Sie mal ein paar Projekte des BMI.
Wir haben den Anstoß dafür geliefert, dass es eine Bürgerschaftsmedaille für Migrationsarbeit gibt. Auf unsere Anregung kam es beim Ausländeramt und der Flüchtlingsunterkunft Rampenweg zu Verbesserungen – durch Renovierungen und eine deutlichere Beschilderung zum Beispiel. Wir haben auch die Aufnahme des Nationalen Integrationsplans in Ludwigshafen auf den Weg gebracht und muslimische Bestattungsriten zum Thema gemacht. Außerdem hat sich die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Stadtrat und Beirat in den vergangenen Jahren stark verbessert.

Inwiefern?
Am Anfang wusste noch niemand so genau, wie die Kooperation eigentlich laufen soll. 2009 hat es eine Reform gegeben und die mit der Migration befassten Beiräte hatten auf einmal mehr Möglichkeiten. Da musste sich die Zusammenarbeit erst einpendeln.

Vielleicht gilt das auch für die Zusammenarbeit mit den Migranten?
Ja, für die ist ebenfalls einiges neu gewesen. Das ist womöglich auch ein Grund dafür, dass die Wahlbeteiligung so niedrig war. Wir konnten uns im Vorfeld nicht richtig erklären und mussten uns selbst erst mal in die neue Aufgabe einfinden. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren jedenfalls schon bemerkt, dass der Austausch reger geworden ist. Ich führe mittlerweile mehr Bürgergespräche als am Anfang. Ich habe mich ja auch bemüht, immer für Einzelpersonen, Vereine und Unternehmen ansprechbar zu sein.

Was für heiße Eisen gibt es denn, die der BMI in der nächsten Legislaturperiode anpacken müsste?
Im Grunde die gleichen wie jetzt schon. Die Globalisierung und die Flüchtlingsströme bringen Herausforderungen mit, die der Beirat auf jeden Fall im Auge behalten sollte. Darüber hinaus gibt es in Ludwigshafen dieselben Probleme, die es in anderen Kommunen auch gibt.

Das klingt, als ob es den Migranten hier ganz gut ginge?
Ludwigshafen ist in der Integrationsarbeit in vielen Punkten schon recht weit. Es gibt ein Defizit bei Räumen für die Migrantenvereine, bei der Wohnungssuche und die Tatsache, dass Migranten nicht so leicht einen Job finden. Aber das ist nichts Spezifisches. Wünschenswert wäre ein Gesamtkonzept für die Integration von Zuwanderern in Ludwigshafen. Da sind bereits erste Prozesse angestoßen worden, bisher gibt es aber keine Ergebnisse. Einiges ist auch von landes- und bundespolitischen Entscheidungen und Hilfen abhängig: Auf Schulsozialarbeit ist Ludwigshafen stark angewiesen und auch auf mehr Angebote für „Deutsch als Fremdsprache“ – insbesondere für Schulen – und eine „mobile“ Betreuung für Flüchtlinge. Sicherlich gäbe es noch weitere Erfordernisse. Aufgrund der finanziellen Lage der Stadt gibt da aber nicht viele Handlungsmöglichkeiten.

Sie sitzen mittlerweile für die SPD im Stadtrat. Sind sie in der nächsten Legislaturperiode dann überhaupt noch im Beirat?
Das kommt drauf an, ob der Stadtrat entscheidet, mich in den Beirat für Migration und Integration zu entsenden. Ich wäre dann eines von elf entsandten Mitglieder, die mit den 22 gewählten zusammenarbeiten.

Interesse? Auch am Vorsitz?
Ich würde mich gern weiter für den Beirat engagieren. Wer in der neuen Legislaturperiode den Vorsitz übernimmt, hängt aber vom Ausgang der Wahl ab und wird erst in der konstituierenden Sitzung entschieden.

(Rheinpfalz vom 18.10.2014)

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