„Persönlicher Kontakt ist nicht zu ersetzen“

Veröffentlicht am 11.05.2015 in Allgemein

Wir sind digital: Als Internetbeauftragte ihrer Parteien haben sie die neuen Medien im Blick: Esther Maria Czasch (30, SPD) und Josefa Diehl (66, CDU). Ein Gespräch in unserer Reihe „Meinung am Montag“ über ihre Arbeit, Kommunikation in der Kommunalpolitik und die Rolle der sozialen Netzwerke im anstehenden Landtagswahlkampf.

AGZG – Frau Czasch, Frau Diehl, haben Sie eine Ahnung, was sich hinter diesen vier Buchstaben verbirgt?
Czasch: Irgendetwas mit Arbeitsgemeinschaft vielleicht … (lacht)
Diehl: Keine Ahnung.

Ging mir auch so. Bis mir klar wurde, dass mir jemand mit dieser SMS „Alles Gute zum Geburtstag“ wünschen wollte. Ich fand’s ziemlich unpersönlich. Wie gratulieren Sie Freunden – per Telefon, Facebook, Twitter oder SMS?
Czasch: Enge Freunde rufe ich an oder besuche sie persönlich. Aber wenn’s gar nicht anders geht, nutze ich schon E-Mail, WhatsApp oder Facebook.
Diehl: Ich rufe eher an, falls ich sie nicht besuche.

Was halten Sie von Politikern, die in den Parlamenten permanent am Tablet oder am Smartphone hängen?
Diehl: Das ist eine Unsitte und respektlos. Man sollte schon dem Verlauf einer Sitzung folgen.
Czasch: Ich würde das nicht als Unsitte bezeichnen. Ich glaube, dass ist einfach eine andere Form der Ablenkung. Früher hat man mehr Politiker gesehen, die leicht schläfrig in den Parlamenten saßen. Heute spielen sie auf dem Smartphone oder dem Tablet herum. Es wird von ihnen gefordert, immer auf dem Laufenden zu sein.

Gutes Stichwort: Was sind die Aufgaben eines Internetbeauftragten?
Czasch:
Den Internetauftritt gestalten und aktualisieren. Ich versuche, meinen Ortsverein und die Partei dazu zu bewegen, schnell zu reagieren, damit die Bürger umgehend informiert sind, was wir gerade machen. Es nützt ja nichts, wenn wir vor Ort aktiv sind und man nichts darüber lesen kann. Wir müssen zudem schauen, dass wir einen guten Facebook-Auftritt haben. Da geht’s nicht nur um streng politische, sondern auch um lockere Themen, Bilder sowie Links zur Landes- oder Bundespartei.

Der Unterhaltungsfaktor darf also auf keinen Fall zu kurz kommen?
Czasch.
Ja, speziell in Facebook.

Diehl: Bei uns ist das ähnlich. Es geht um aktuelle Informationen über Veranstaltungen, die dort behandelten Themen oder die Arbeit unserer Abgeordneten. Ich platziere Berichte und mache auch Fotos. Man schnürt eine Art digitales Rundumpaket.

Frau Diehl, Sie haben 1998 bereits den Wahlkampf von Helmut Kohl begleitet – haben neuen Medien damals schon irgendeine Rolle gespielt?
Diehl:
Nein. Für mich war das damals ein Hobby, ich fand das Metier sehr interessant. Aber für die Partei war das überhaupt nicht wichtig. Ich musste beim ersten Oberbürgermeisterwahlkampf von Eva Lohse noch dafür kämpfen, dass die Internetadresse aufs Wahlplakat kommt. Das war nicht gewünscht. Heute ist das selbstverständlich. Facebook hat viel verändert. Seither sind neue Medien im Bewusstsein der Parteien verankert.
Czasch: Ich bin durch den Bestattungsbetrieb meiner Eltern von klein auf mit neuen Medien in Berührung gekommen und hatte auch vor Computern keine Berührungsängste. Die Kenntnisse habe ich mir selbst angeeignet, beim Ortsverein angeklopft und gesagt: Wir müssen den Internetauftritt moderner gestalten, der ist total veraltet. Ich habe so lange genervt, bis es hieß: Okay, mach mal (lacht). Dann habe ich mich eingearbeitet und viel Lob geerntet. Schließlich hat mich Parteichef David Schneider angesprochen, ob ich das auch für den Stadtverband machen kann.

Wie werden die Homepages genutzt?
Diehl:
In Wahlkämpfen haben wir schon sehr viele Zugriffe. Ansonsten variiert das. Gestern Abend beispielsweise waren es 24, das ist relativ viel.

Czasch: Durch das Verlinken der Homepage und die ständige Aktualisierung ist das Interesse rasant gestiegen. Im Schnitt haben wir täglich über 100 Aufrufe. Bei Facebook geht alles noch viel schneller, da wird direkt reagiert – positiv, aber auch negativ. Doch das muss man aushalten.

Worüber wird denn geschimpft?
Czasch:
Was ich schade finde, ist, dass Kommunal- und Bundespolitik oft vermischt wird. Wenn bundespolitisch etwas schiefläuft, bekommen das auch die Kommunalpolitiker ab.
Diehl: Die CDU als Regierungspartei im Bund bekommt öfter mal einen auf den Deckel, weil sie oft unbequeme Positionen vertritt und die Bürger mehr in die Verantwortung nimmt. Ich bin auch schon angerufen und wüst beschimpft worden. Aber ich konnte den Mann beruhigen – als Ergotherapeutin kann man das (lacht).

Wie hoch ist Ihr Zeitaufwand?
Czasch:
Maximal sechs bis sieben Stunden pro Woche.
Diehl: Erheblich mehr als acht Stunden pro Woche. Ich bekam kein fertiges System bereitgestellt, sondern musste alles selbst programmieren. Da die gesamte Website alle zwei Jahre völlig umgekrempelt werden muss, kann der Arbeitsaufwand zu solchen Zeiten beträchtlich steigen. Außerdem betreue ich bis auf die Junge Union einfach alles bei der CDU: Ortsverbände, Vereinigungen, die Seiten des Stadtrats, des Kreisverbands und der Landtagsabgeordneten. Dazu kommt Facebook. Wenn man die von mir besuchten Veranstaltungen samt der Berichte und Fotobearbeitung hinzuzählt, kann die Arbeit auf zehn bis 15 Stunden in der Woche anwachsen.

Spicken Sie auch bei der Konkurrenz?
Czasch:
Ja, gerne sogar (lacht). Ich schaue mir die Gestaltung und die aktuellen Artikel an.

Und, macht’s die CDU gut?
Czasch: Dazu sage ich lieber nix.
Diehl: Ich habe heute mal auf die SPD-Seite geschaut und muss sagen, früher war es nicht so gut.

Also ein Kompliment für die Kollegin?
Diehl:
Das kann man so sagen.

Barack Obama ist auch deshalb zweimal zum US-Präsidenten gewählt worden, weil er mehr auf die neuen Medien gesetzt hat. Welche Rolle spielen Instrumente wie die sozialen Netzwerke in der Kommunalpolitik?
Diehl:
Es ist noch überschaubar, es hat aber stark zugenommen. Um die Jahrtausendwende ist das erst so richtig losgegangen mit dem OB-Wahlkampf. Da haben wir sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Da ist das geradezu aufgeblüht.

Czasch: Die Bedeutung sozialer Medien in der Kommunalpolitik nimmt zu, aber noch nicht überhand. Wichtiger ist immer noch der persönliche Kontakt mit den Menschen. Über politische Inhalte informieren sich die Leute eher nicht im Internet. Man muss weiter direkt auf die Menschen zugehen, vor Ort sein und auf sich aufmerksam machen. Der persönliche Kontakt ist nicht zu ersetzen.

Die SPD hat mit David Schneider (25) einen sehr jungen, die CDU mit Ernst Merkel (65) einen 40 Jahre älteren Mann an ihrer Spitze. Wirkt sich das irgendwie auf Ihre Arbeit aus?
Diehl:
Nein, ich habe da freie Hand.

Czasch: Wir sprechen oft miteinander über Themen, aber die Internetpräsenz hängt nicht vom Alter, sondern vom Engagement der Person ab.

Merkel meidet soziale Netzwerke, Schneider nutzt sie rege, hat bei Twitter aber gerade mal 20 Follower.
Czasch:
Twitter ist für die Kommunalpolitik nicht wirklich relevant. Wir haben aber immer eine Verknüpfung von Facebook-Inhalten auf Twitter, damit die dort aktuell sind. Direkte Reaktionen wie auf Facebook bekommt man da nicht. David Schneider ist überwiegend auf Facebook aktiv, das nutzen ja auch mehr Leute.

Diehl: Dass Herr Merkel nicht in sozialen Netzwerken aktiv ist, ist seine Entscheidung. Ich habe es angeregt. Dass manche Stadträte nicht mitmachen, liegt auch daran, dass die Älteren damit schlichtweg überfordert sind. Die Jüngeren sind alle dabei.

Im März 2016 ist Landtagswahl – was glauben Sie, welche Partei wird sich am Ende durchsetzen? Die mit der besseren Spitzenkandidatin, die mit dem besseren Programm oder die, die in den sozialen Netzwerken aktiver ist?
Diehl: Bei der CDU kommt es besonders auf die Spitzenkandidatin an. Ich hoffe jedenfalls, dass sie eine gewisse Zugkraft hat. Das Angebot in den neuen Medien ist eher eine Ergänzung.
Czasch: Das sehe ich auch so. Wahlentscheidend ist der richtige Mix aus der Persönlichkeit der Kandidatin und dem Programm der Partei.

Sie haben die gleiche Aufgabe, verkörpern aber unterschiedliche Generationen. Wie informieren Sie sich privat?
Czasch: Über Apps auf dem Handy.

Diehl: Ich lese überwiegend den Lokalteil der RHEINPFALZ. Und das war jetzt nicht geschleimt (lacht).

(Rheinpfalz vom 11.05.2015)

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